Chea Samy kam 1925 als sechsjährige Bauerntochter zum Tanzensemble des Königspalasts. Sie wurde zur Startänzerin und tanzte die wichtigsten Frauenrollen. Später holte ihr Ehemann seinen jüngeren Bruder Saloth Sar aus der Provinz nach Phnom Penh zu ihnen, den Chea Samy wie ihr eigenes Kind aufzog. Nach Ende ihrer Karriere als Tänzerin wurde sie eine Lehrerin des klassischen kambodschanischen Tanzes in Kambodscha und außerhalb.
Wie Millionen anderer Kambodschaner*innen wurde sie 1975 unter der Herrschaft der Roten Khmer aufs Land getrieben, um dort Zwangsarbeit zu leisten. 1978 war sie in einer Großkantine eingeteilt, als Plakate von Pol Pot aufgehängt wurden und sie in ihm ihren Ziehsohn erkannte.
1979 kehrte sie nach Phnom Penh zurück und begann, junge Mädchen auszubilden. Es gelang ihr, den klassischen kambodschanischen Tanz wiederzubeleben. Sie bildete bis zu ihrem Tod 1994 Hunderte von Tänzerinnen aus – darunter auch Sophiline Cheam Shapiro, die im Film auftritt und auf deren Studien der Film zurückgeht, der mit einer Mischung aus Archiv, Interviews und Tanzszenen einen Einblick in die politische und künstlerische Geschichte Kambodschas bietet.
Herzstück des Archivmaterials sind bisher unveröffentlichte Aufnahmen, in denen Chea Samy in ihren letzten Lebensjahren beim Unterricht zu erleben ist oder in Interviews, in denen sie über ihre Lebensgeschichte spricht. Diese einzigartigen Aufnahmen sind Funde aus dem persönlichen Archiv einer amerikanischen Anthropologin, die in Kambodscha während ihrer Forschungsaufenthalte für ihre Dissertation über den klassischen kambodschanischen Tanz über 300 Stunden Material gedreht hat.
Regisseur Enrique Sanchez Lansch: „Der Film geht dem Paradox in der Biografie Pol Pots nach: Der kleine Saloth Sar erhält die einmalige Chance, in einem intellektuellen und künstlerischen Milieu aufzuwachsen, und wird nicht nur trotzdem, sondern gerade deswegen zu dem Schlächter Pol Pot. Und noch mehr: Er wird sogar zum erklärten Feind jeglicher Form von Kunst und Kultur und negiert damit das ganze Umfeld, in dem er aufgewachsen ist und dem er doch so viel zu verdanken hat. Wie ist das möglich? Wie können Bildung und Kultur in einem solchen Zerstörungswahn enden? Der Film kann die Frage, wie Saloth Sar zu Pol Pot werden konnte, natürlich nicht abschließend beantworten. Aber er lotet diesen Zusammenhang aus und regt das Publikum damit zum Nachdenken an.
Die Protagonist:innen selbst blicken unterschiedlich auf die Vergangenheit: Sophiline, hat das Regime der Roten Khmer selbst erlebt. Ihre Ensembletänzerinnen sind eine Generation jünger, aber ihr Leben ist indirekt durch die Herrschaft Pol Pots geprägt. Aber da ist auch der Blick Promsodun Oks, der durch seine Sozialisierung in den USA als Sohn einer Flüchtlingsfamilie eine sehr interessante Mischung aus Innen- und Außenperspektive einbringt. Alle bringen diese Blickwinkel und Positionen in einen gemeinsamen Prozess ein. Auch oft in einer Art, in der unser westlicher Blick von außen es vielleicht anders erwarten würde.“
Pressestimmen
Radio eins meint, es "entsteht in dem fesselnden Film eine bewegende Einheit von künstlerischer Traumabewältigung und historischer Erzählung über die Schreckensherrschaft, deren Folgen in Kambodscha noch überall spürbar sind."
"Gleichermaßen als Tanzfilm wie als historischer Dokumentarfilm funktioniert ’Pol Pot Dancing’ und wird dadurch sozusagen in doppelter Hinsicht sehenswert.", findet Programmkino.de.
Drehbuch, Regie Enrique Sanchez Lansch (Dokumentarfilm)
Kamera Marcus Winterbauer
Musik Christoph Kaiser, Julian Maas
DE/NO 2023, 102 Min., khmer/engl.OmU, ab 12