Lara

An ihrem 60. Geburtstag steht Lara schon morgens um sechs am geöffneten Fenster – auf einem Stuhl. Es ist sofort klar, dass Lara kein einfaches Leben führt, auch wenn man noch nicht ahnt, was alles quer liegt. Dann klingelt es an der Tür. Eine Polizistin fragt, ob Ex-Beamtin Lara als neutrale Zeugin bei einer Hausdurchsuchung dabei sein kann.

Etwas später wird Lara in ihrer Bank erscheinen und ihr ganzes Geld abheben. Davon kauft sie erstmal ein teures, enges Abendkleid und 22 Karten für das Konzert ihres Sohnes am Abend. Viktor, der vor kurzem bei Lara auszog, ist Pianist und gibt heute sein erstes großes Konzert. Lara war als junge Frau auch Konzertpianistin…, aber das ist eine andere Geschichte. Sie war Viktors erste Klavierlehrerin.

Aber jetzt streift Lara durch Berlin, trifft alte Kollegen, ihren Ex und ihre Mutter – und wer immer möchte bekommt eine Konzertkarte von ihr geschenkt. Hatten wir schon gesagt, dass Viktor seine Mutter nicht zum Konzert eingeladen hat? Dass er ihre Anrufe nicht mehr beantwortet…

Sieben Jahre nach ,Oh Boy‘ präsentiert Jan-Ole Gerster seinen zweiten Film, der in seiner Struktur an ,Oh Boy‘ erinnert und doch ganz anders ist (nicht nur, weil hier klassische Musik den Jazz ersetzt). Stand im ersten Film Tom Schilling im Mittelpunkt (hier spielt er Viktor), ist es hier Corinna Harfouch. Sie dominiert jede Szene und tut teilweise ganz schreckliche Dinge, die man auch Müttern nicht verzeihen würde. Denn Lara sieht ihre Mitmenschen - und dazu gehört auch ihr Sohn -, wie sie sind und kommentiert sie in kleinen Gesten oder spitzen Bemerkungen, mit denen sie – so oder so – ihr Gegenüber bloßstellt.

Wer glaubt, der Film kulminiert im Konzert … liegt falsch. Es folgt eine kleine Szene: Der Punkt hinter einem Film, der weniger mit Worten als mit Bildern einen besonderen Charakter skizziert. Mit ,Lara‘ gibt Jan-Ole Gerster seiner Hauptdarstellerin Corinna Harfouch eine Rolle mit Tiefgang, in der sie alle Trümpfe ausspielen kann.